Zum Inhalt [I]
Zur Navigation [N]
Kontakt [C] Aktuelles [2] Suchfunktion [4]

Impuls zum 18. Juni 2023

Zum 11. Sonntag im Jahreskreis

Von Charles Borg-Manché, geistlicher Beirat, pax christi Diözesanverband München und Freising

Geht, verkündet, heilt – unser Auftrag heute!

Einführung
„Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ 

So heißt es im heutigen Matthäusevangelium. Müde und erschöpft – so fühlen wir uns oft in diesen schweren Zeiten. Angesichts von eigenen leidvollen Erfahrungen, von Erfahrungen mit unserer Kirche – angesichts vom unermesslichen Leiden zahlreicher Menschen im Krieg, angesichts von Umwelt-zerstörung und Klimawandel fühlen wir uns ohnmächtig und überfordert. Wir alle brauchen selbst immer wieder seelischen, heilenden Beistand. Zugleich aber sind wir als Glaubende dazu berufen, den Notleidenden in ihrer Müdigkeit und Erschöpfung heilend und ermunternd beizustehen.

Lied
GL 437 (Meine engen Grenzen) 

Evangelium: Mt 9,35-10,8
Jesus zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, 
verkündete das Evangelium vom Reich 
und heilte alle Krankheiten und Leiden.
Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid 
mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft 
wie Schafe, die keinen Hirten haben.
Da sagte er zu seinen Jüngern: 
Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.
Bittet also den Herrn der Ernte, 
Arbeiter für seine Ernte auszusenden. 

Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, 
die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.
Die Namen der zwölf Apostel sind: an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, 
dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, 
und sein Bruder Johannes, Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, 
Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus, 
Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn ausgeliefert hat. 

Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: 
Geht nicht den Weg zu den Heiden und 
betretet keine Stadt der Samariter,
sondern geht zu den verlorenen Schafen 
des Hauses Israel!
Geht und verkündet: Das Himmelreich ist da!
Heilt Kranke, weckt Tote auf, 
macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! 
Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.

Gedanken zur heutigen frohen Botschaft
„Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Dieses Sehen und Mitleiden Jesu im heutigen Evangelium erinnert mich sehr an das Sehen und Mitleiden Gottes gegenüber seinem unterdrückten Volk Israel in Ägypten. Im Buch Exodus spricht Gott zu Mose: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen…Ich kenne ihr Leid.“ (Ex 3,7) 

In der ganzen Bibel wird immer wieder deutlich: Wenn Gott sieht, dann ist das kein oberflächliches Zur-Kenntnis-Nehmen, sondern es ist vielmehr ein tiefes Sich-Öffnen dem Leid und der Not der Menschen. Gott nimmt das Elend nicht nur mit den Augen, sondern vor allem mit dem Herzen wahr. Er lässt sich davon anrühren und zum Handeln bewegen. So spricht Gott im Buch Exodus: „Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land – in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.“ (Ex 3,8)

Genauso handelt Jesus im Auftrag Gottes, seines Vaters. Er sieht die Not der geplagten Menschen mit dem Herzen und er hat Mitleid mit ihnen. Wenn die Bibel von „Mitleid“ spricht, dann klingt die Bedeutung von barmherzigem Handeln mit. Im Hebräischen ist der Begriff mit „Eingeweide“ bzw. „Mutterschoß“ eng verwandt. Wenn also Jesus Mitleid hat, dann handelt er, menschlich gesprochen, aus Gottes „Bauchgefühl“ heraus. Deshalb geht er auf die angeschlagenen Menschen zu, verkündet ihnen die befreiende Frohbotschaft vom Reich Gottes und heilt ihre Krankheiten und Leiden – wie es zu Beginn des heutigen Evangeliums heißt. 

So handelt Jesus im Namen und Auftrag Gottes. Und diesen Auftrag gibt er den Seinen weiter – denn er weiß: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ Deshalb sendet er die Zwölf hinaus. Doch vor ihrer Aussendung werden die Apostel alle einzeln mit Namen genannt. Damit soll deutlich werden: Jesus sendet keine anonyme Gruppe zu den Menschen, sondern ganz konkrete Personen. Er kennt und nennt seine Jünger mit Namen. Ihre Einzigartigkeit, ihre Person, ihre eigene Lebens-geschichte und die damit verbundene Würde als Ebenbild Gottes werden dadurch herausgestellt. 

Auch heute sendet Jesus keine namenlosen Christinnen und Christen in die Welt hinaus. Seine Jüngerinnen und Jünger – wir alle – sind persönlich, namentlich von ihm eingeladen und beauftragt, an Gottes Ernte teilzunehmen – am Aufbau seines befreienden und frohmachenden Reiches hier auf Erden mitzuwirken und seine Barmherzigkeit den Menschen unserer Zeit durch Wort und Tat zu bezeugen. Der Aufruf Jesu zur Mitarbeit an der Ernte betrifft also keine anonymen Christen. Ebenso wenig betrifft er nur Frauen und Männer, die in den sogenannten geistlichen Berufen tätig sind. Die Aussendung Jesu ist an alle seine Jüngerinnen und Jünger gerichtet – ohne Ausnahme und unabhängig von Beruf, Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität oder politischer Überzeugung. 

Der Auftrag Jesu an die Seinen damals und an uns heute lautet: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist da! Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus.“ Jesu Auftrag ist also ein dreifacher: GEHT – VERKÜNDET – HEILT!

Geht! Jesus will, dass die Jüngerinnen und Jünger seinem Beispiel folgen. Im heutigen Evangelium heißt es: „Er zog durch alle Städte und Dörfer.“ Jesus will die Seinen in Bewegung setzen – und zwar hin zu den erschöpften, an den Rand gedrängten Menschen. Sie sollen sich auf den Weg machen zu den Kranken und Leidenden, zu den Ausgegrenzten, den von Dämonen geplagten, denen, die mitten im Leben tot sind. 

Das ist auch unser Auftrag als Christinnen und Christen, als Pax-Christi-Bewegung, hier und heute. Jede und jeder Einzelne von uns ist gerufen, aufzubrechen zu den Menschen. Wie Jesus sollen auch wir die ermüdeten Menschen mit dem Herzen wahrnehmen, zu ihnen hingehen und barmherzig an ihnen handeln. Der erste wichtige Schritt ist also das Hingehen zu den Menschen – überall wo sie leben und arbeiten – in den Familien und Gruppen, in den Schulen und Betrieben, in den Krankenhäusern und Seniorenheimen, in den Freizeitstätten, in den Flüchtlingsunterkünften. 

Unser Erkennungsmerkmal als Glaubende ist also nicht das Stehen-Bleiben, nicht das Abwarten, sondern das aktive Hingehen zu den Menschen. Gott will uns in Bewegung setzen. Wie das geht, macht uns Papst Franziskus immer wieder vor. Im Laufe der letzten zehn Jahre begegnete er auf seinen Reisen zahlreichen erschöpften Menschen und fragte sie nach ihrem Wohlbefinden – Gefangene, Behinderte, kranke und alte Menschen, Familien, Kinder und Jugendliche, verheiratete Priester mit ihren Familien, Homosexuelle, arbeitende und arbeitslose Menschen und viele andere.

Der zweite Auftrag Jesu heißt: Verkündet! Sagt den Menschen: Das Himmelreich ist da! Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch – auch wenn es nicht immer sichtbar oder spürbar ist. Wie damals so auch heute ruft Jesus seine Jüngerinnen und Jünger zum Verkünden auf. Er will uns zum Erzählen ermutigen – den Menschen, besonders den Erschöpften, Gottes Liebe und Nähe trotz allen Leidens durch Wort und Tat verkünden. Er will, dass wir die Menschen einladen, sich einzulassen auf Gottes neue Welt der Solidarität und Gerechtigkeit, der Gewaltfreiheit und des Friedens – damit das Leben gut gelingt und die Welt eine andere, eine friedvollere, gerechtere wird. 

Zum Schluss gibt Jesus den Seinen die Vollmacht zu heilen. Offensichtlich war Jesus selbst Einer, von dem heilende Kräfte ausgingen – auch wenn wir heute nicht genau wissen, wie das im Einzelnen geschah. Diese Gabe des Heilens gehörte jedenfalls zum Wesen seiner Botschaft vom Reich Gottes hier auf Erden. Daher ist das Heilen der dritte wichtige Auftrag Jesu an seine Jüngerinnen und Jünger – auch heute. 

Als Christinnen und Christen sollen wir uns gemeinsam bemühen, zur Heilung der in ihrer Seele erkrankten, der vielen geistig verwundeten Menschen beizutragen. Papst Franziskus hat mehrmals die Kirche mit einem Feldlazarett verglichen. Er sagte einmal: „Es gibt doch so viele Verwundete! So viele Menschen, die es nötig haben, dass ihre Wunden geheilt werden. Das ist die Sendung der Kirche: Die Wunden des Herzens heilen!“ (5.2.2015)

Dazu gehört auch, die sozialen Wunden der heutigen Zeit zu heilen – beispielsweise die modernen Aussätzigen, die aus unserer Gesellschaft Ausgegrenzten zu integrieren: Erwerbslose, prekär Beschäftigte, arme Rentnerinnen und Rentner, bedürftige Familien und Alleinerziehende, Haftentlassene, Asylsuchende und Flüchtende. Zu unserem Auftrag des Heilens gehört ebenso die Austreibung der modernen Dämonen – Menschen aus ihren depressiven Ängsten, ihren teuflischen Süchten und inneren Abhängigkeiten zu befreien – wozu sicherlich auch eine gewisse Kompetenz notwendig ist. Entscheidend dabei ist allerdings unser eigenes Bewusstsein, dass unsere Nähe und Zuwendung zur Heilung innerlich verwundeter Menschen wesentlich beitragen, ja sogar Wunder bewirken kann. 

Geht, verkündet, heilt! Ich wünsche uns die nötige Erkenntnis, die Kraft und den Mut, unsere von Gott geschenkten, heilende Kräfte in Gesellschaft, Politik und Kirche einzusetzen – damit die Hoffnung in den vielen körperlich und seelisch verwundeten Menschen wieder neu belebt wird – damit unsere Welt heute gesünder, heiler, friedvoller wird.

Abschließend ein Text zum Nachdenken vom Dichterpriester Wilhelm Willms:

WUSSTEST DU SCHON?
Wusstest du schon, 
dass die Nähe eines Menschen gesund machen, krank machen, 
tot und lebendig machen kann?

Wusstest du schon, 
dass die Nähe eines Menschen gut machen, böse machen, traurig und froh machen kann?

Wusstest du schon, 
dass das Wegbleiben eines Menschen sterben lassen kann,
dass das Kommen eines Menschen wieder leben lässt?

Wusstest du schon, 
dass die Stimme eines Menschen einen anderen Menschen
wieder aufhorchen lässt, der für alles taub war? 

Wusstest du schon, 
dass das Wort oder das Tun eines Menschen wieder sehend machen kann,
einen der für alles blind war, der nichts mehr sah,
der keinen Sinn mehr sah in dieser Welt und in seinem Leben?

Wusstest du schon,
dass das Zeithaben für einen Menschen mehr ist als Geld, mehr als Medikamente,
unter Umständen mehr als eine geniale Operation?

Wusstest du schon, 
dass das Anhören eines Menschen Wunder wirkt, dass das Wohlwollen Zinsen trägt,
dass ein Vorschuss an Vertrauen Hundertfach auf uns zurückkommt?

Wusstest du schon, dass Tun mehr ist als Reden?

Wusstest du das alles schon?

Wusstest du auch schon,
dass der weg vom Wissen über das Reden zum Tun interplanetarisch weit ist?

Lied
GL 446 (Lass uns in deinem Namen, Herr)

Gebet
Barmherziger Gott!
Du siehst das Elend in unserer Welt. Du kennst das Leid der Menschen, deiner Ebenbilder. 
Du willst uns heilen und zum Leben in Fülle befreien. 
Hilf uns, die Ängste und Leiden der vielen erschöpften Menschen
mit dem Herzen wahrzunehmen und ihnen beizustehen. 
Lass heilende Kräfte von unserer Bewegung ausgehen, 
damit die Menschen die befreiende Botschaft deines Reiches der Gerechtigkeit und des Friedens schon hier und jetzt erkennen können. 
Darum bitten wir dich durch Christus Jesus, unseren Bruder und Herrn. Amen.

Segen
Gott segne meine Hände,
dass sie trösten und heilen können,
dass sie stets gewaltfrei handeln.

Gott segne meinen Mund,
dass er Andere nicht beleidigt oder verletzt,
dass er Mut und Hoffnung zuspricht.

Gott segne meine Augen,
dass sie die Nöte, Ängste und Leiden Anderer wahrnehmen,
dass sie die Mitmenschen wohlwollend anblicken.

Gott segne meine Ohren,
dass sie hellhörig sind für die Stimme der Ohnmächtigen,
dass sie auch Andersdenkenden gut zuhören können.

Gott segne mein Herz,
dass in ihm Gottes Geist wohnt,
dass es stets bereit ist zu Versöhnung und Frieden.

So segne mich der barmherzige, gütige Gott – der Vater + und der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.